Manchmal reicht ein gefällter Baum, um zu erkennen, wie verrückt menschliches Verhalten sein kann

Im Mai stand er noch da: ein großer toter Baum am Hang unseres Grundstücks in Slowenien. Noch mit einer großen Baumkrone, aber schief, morsch und vor allem gefährlich nah an der Stromleitung.
Jeder sah auf einen Blick, dass der Baum weg musste. Aber niemand hatte im Frühjahr und Sommer dafür Zeit, und so wurde es auf den Herbst verschoben.

Aber dann, als wir im Juni wieder in Deutschland waren, bekam ich eine Whatsapp von unseren slowenischen Nachbarn. Das Stromunternehmen sei vorbeigekommen, um die Stromleitungen auf den öffentlichen Flächen freizuschneiden. Und sie nutzten die Gunst der Stunde und überzeugten die Arbeiter davon, dass sie auch den toten Baum auf unserem Grundstück fällten, weil er ja nun mal eine Gefahr für die Stromleitung darstellte. Und so lag der Baum auf einmal. Was für ein Geschenk für uns!

Seitdem lag er also da. Still und majestätisch, ein dicker Baumstamm mit einer riesigen Krone am Hang. Ich dachte mir: „Super, das ist ja fast schon erledigt. Nur noch klein sägen. Das kriegen wir hin.“

Doch zu schnell gedacht. Denn da begann die eigentliche Geschichte gerade erst.

Der gefällte Baum: Das Nachbarschaftsdrama beginnt

Kaum lag der Baum, wurde er zum heiß begehrten Schatz.
Als wir im August wieder da waren, fragten wir also unsere slowenischen Nachbarn, was wir nun mit dem Baum tun sollten. Durften wir den einfach nehmen? Oder gehörte der nun möglicherweise dem Stromunternehmen?

Bereits die erste Reaktion sprach Bände. Unser Nachbar begann sofort zu gestikulieren und mit dem Kopf zu schütteln. Er erklärte uns: Seitdem der Baum nun da lag, erhob auf einmal Nachbar Nummer zwei (mit dem wir leider aufgrund der Sprachbarriere kaum sprechen können) Ansprüche: Der Baum habe auf seiner Grenze gestanden – und gehöre ihm.

Doch unser vertrauter Nachbar widersprach energisch und war fest überzeugt: „Das ist euer Baum!“ Er gab alles dafür, dass wir zumindest einen Teil des Baumes bekämen.

Die Diskussionen zogen sich über mehrere Wochen hin. Immer wieder war der Baum Thema Nummer eins zwischen den Nachbarn.

Und jedes Mal standen wir selbst etwas ratlos dazwischen.
Denn ehrlich gesagt: wir wollten diesen Baum gar nicht.

Aber das schien niemanden zu interessieren.

Mehr Holz als man braucht und trotzdem hitzige Diskussionen

Für mich war die ganze Szene herrlich zu beobachten. Mir hat es wieder einmal gezeigt, wie „komisch“ wir Menschen uns doch verhalten können.

Als der Baum noch stand, wollte niemand diesen Baum haben. Er war ein Problem, das niemand haben wollte. Gefährlich, lästig und eindeutig „unser Problem“.
Sobald er aber gefällt war, wurde er auf einmal zu einem heiß begehrten Schatz. Plötzlich schienen sich sogar Grundstücksgrenzen verschoben zu haben – oder der Baum gewandert zu sein.

Kurzum: Alle wollten das Holz haben.

Und das, obwohl es hier, im Norden Sloweniens Holz im Überfluss gibt. Und die Nachbarn auch Holzbauern sind, also genug eigene Wälder haben.

Blick auf den gefällten Baum

Ein Blick auf den gefällten Baum, der am Hang liegt und Protagonist der Nachbarschaftsgeschichte ist.

Wenn die Nachbarschaftsgeschichte Kreise wirft

Ich behaupte: Diese Situation ist kein Einzelfall.
Und es könnte überall vorkommen, nicht nur in Slowenien.
Ob es jetzt dieser Baum ist oder etwas anderes, der Mensch hat doch oft ähnliche Verhaltensweisen. Wenn etwas leicht zu bekommen ist, wollen wir es auf einmal haben. Sobald etwas erreichbar ist, verschieben sich plötzlich Grundstücksgrenzen oder Besitzvorstellungen.

Alle wollen etwas abhaben, partizipieren und vor allem: es nicht dem Eigentümer überlassen.

Sind das noch die Überreste von der Jäger- und Sammler-Zeit in uns Menschen?
Dass wir, sobald etwas leicht zu bekommen ist, es haben wollen – auch wenn wir es (vielleicht) gar nicht brauchen?

Warum Beobachten manchmal das Schönste ist

Ich liebe es ja wirklich, das Leben zu beobachten. Denn indem ich mich ein bisschen rausziehe und wie von außen auf das Leben schaue, lerne ich unglaublich viel.

Oft macht mich das, was ich beobachte, nachdenklich, aber dieses Mal kann ich kaum anders, als nur darüber zu lachen.

Denn für mich war es nicht wirklich wichtig, wem der Baum nun gehörte. Und es hat mir gezeigt, wie absurd und gleichzeitig menschlich solche Situationen sind. Und ja – Humor macht das Leben leichter. Warum also nicht einfach mal über eine absurde Situation herzlich lachen? 

Schlussendlich bin ich sehr gespannt, was mit dem Baum passiert ist, wenn wir das nächste Mal zu unserem Haus kommen. Ob er noch immer daliegt oder ob wir neues Holz davon in der Scheune haben? Oder ob er einfach wie vom Erdboden verschluckt ist. 😉

Egal, wie es ausgeht. Am Ende bleibt mir die Erinnerung an eine Nachbarschaftsgeschichte, die zeigt: selbst ein toter Baum kann sehr lebendig werden.

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