Über Macht, Menschlichkeit, Achtsamkeit und das Vertrauen ins Leben unterwegs

Auf der Reise nach Griechenland durfte ich erleben, was es heißt, nicht nur Länder zu durchqueren – sondern auch mich selbst.
Eine Geschichte über äußere Grenzen, innere Bewegungen und das Geschenk, die Welt wirklich zu fühlen.

Unterwegs ohne Zuhause

Gerade sind wir für drei Wochen auf Korfu. Wir haben ja derzeit kein festes „Zuhause“ und sind auf Expedition. Wenn du mehr dazu wissen möchtest, kannst du hier weiterlesen. 

Bisher war ich noch nie in Griechenland. Und ich genieße das Meer. Ich muss sagen: Das hat es mir schon nach kurzer Zeit sehr angetan. Die verschiedensten Blautöne, der weite Horizont, die Wellen – da könnte ich stundenlang nur sitzen und zuschauen.

Aber in diesem Blogartikel möchte ich nicht nur von den Blautönen des Meeres sprechen, sondern von den Erfahrungen, die ich auf der Reise nach Griechenland gemacht habe.
Denn wir sind mit dem Auto gefahren – und diese Fahrt war für mich eine Reise durch viele Grenzen: äußere und innere.

Unsere Route führte über Österreich, Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Albanien bis nach Griechenland.
Eigentlich wollten wir uns Zeit lassen – aber wir sind es dann im Endeffekt in 2 Tagen gefahren. Vielleicht, weil das Leben manchmal eigene Pläne hat.

Grenzen im Außen – und im Inneren

Zunächst einmal sind wir über so einige Grenzen gefahren. Es waren zunächst innereuropäische Grenzen, aber dann auch internationale.
Ich finde es immer wieder faszinierend, wie an den Orten diese Grenzstimmung noch spürbar ist – selbst dort, wo die Gebäude längst verfallen, weil die Grenzen offen sind. Etwas Unsichtbares hängt in der Luft.
Denn Grenzen sind eben nicht nur Linien auf einer Karte.

Besonders intensiv habe ich die internationalen Grenzen erlebt. Nicht nur, weil wir immer brav sämtliche Papiere vorzeigen mussten, sondern vor allem wegen der Atmosphäre. Ich fühlte mich ohnmächtig.
Die Grenzbeamten hatten ganz klar die Macht über mich – sie entschieden, ob ich weiterfahren durfte oder nicht.

Ein seltsames, beklemmendes Gefühl.

Kaum ein Grenzbeamter war freundlich, lächelnd, entspannt. Stattdessen spürte ich Anspannung, Misstrauen, Distanz.
Sie sahen mich nicht als Mensch, sondern als potenzielle Gefahr.
Und ich fragte mich: Wo bleibt da die Menschlichkeit, das Miteinander, das grenzübergreifende Sehen?

Nur der allerletzte Grenzbeamte an der albanischen Grenze war ein Lichtblick. Er machte seinen Job mit Freude und sich interessiert mit uns unterhalten. Er fragte nicht einfach ab, was er wissen musste, sondern unterhielt sich wirklich mit uns. Und wir haben gemeinsam gelacht.

Diese Begegnung hat mich sehr berührt.
Und mir gezeigt: Es gibt sie überall, die Menschen, die andere Menschen wirklich sehen – und die dadurch Brücken bauen, wo sonst Mauern stehen.

Fühlend reisen: wenn Orte berühren

Ich fühle viel. Und das kann beim Reisen durchaus herausfordernd sein. Denn ich fühle in meinem Körper, was an einem Ort los ist.

Sehr intensiv war es in Kroatien. Schon beim Abfahren von der Autobahn spürte ich eine Schwere, Enge und Anspannung.
Am liebsten wäre ich einfach weiter gefahren.

Äußerlich betrachtet war alles gut: die Unterkunft war ruhig, gemütlich, sauber. Eigentlich passte alles.
Doch ich fühlte mich nicht wohl und in dem Gefühl wie gefangen. Dieses Gefühl katapultierte mich tief in meine früheste Kindheit zurück, in eine Zeit, in der alles auf der Gefühlsebene abgespeichert wurde.

Es wurde ein intensiver Abend. Ich blieb und ich fühlte.

Und am nächsten Tag wusste ich: Ich darf lernen, meine Grenzen zu achten und gleichzeitig das, was da ist und was ich fühle, durch mich hindurchfließen zu lassen.
So wurde aus der Überforderung eine Erinnerung daran, wie wichtig Selbstfürsorge ist.

Für mich ist das genau das Geschenk am fühlenden Reisen: Dass man sich selbst an jedem Ort ein Stück besser kennenlernt.

Begegnungen auf vier Pfoten – und im Herzen

Eine für mich vollkommen neue Erfahrung waren die vielen wilden Hunde. Vor allem in Montenegro sahen wir unzählige davon.
Manche standen am Straßenrand, und ich konnte ihnen in die Augen sehen: so viel Traurigkeit, Verzweiflung, Einsamkeit.

Einmal sahen wir, wie ein Hund auf die Straße lief und angefahren wurde.
Daneben lagen schon andere Kadaver.
Dieses Bild hat mich tief erschüttert und sich in mein Gedächtnis eingebrannt. 

Bisher kannte ich Hunde als Haustiere, Begleiter, Wachhunde – Wesen, um die sich jemand kümmert. Hier war es anders.
Und das ließ mich über unseren Umgang mit Tieren nachdenken. Wo vermenschlichen wir sie? Was ist Liebe? Was ist Verantwortung?

Ich glaube, es gibt kein einfaches Richtig oder Falsch.

Vielleicht geht es darum, das Herz für alle Lebewesen zu öffnen und dann das zu tun, was sich richtig anfühlt.
Und es hat mich auch wieder einmal daran erinnert, dass wir alle manchmal jemanden brauchen, der uns einfach sieht.

Reisen mit offenen Augen: Was ist da, wenn wir nicht mehr wegsehen?

Ab Bosnien und Herzegowina fiel mir auf, wie viel Müll am Straßenrand herumlag. Kaum ein Fleckchen Erde war frei davon – Plastik, Reifen, Bauschutt.
Und in Albanien wurde es noch intensiver: Überall verbrannten die Menschen ihren Müll. Eine graue Rauchschicht lag über dem Land, der Gestank war beißend.

Einerseits konnte ich die Menschen verstehen. Denn wenn es keine andere Möglichkeit gibt, ist das vielleicht die einfachste Lösung, um die Müllberge zu reduzieren. Andererseits tat es weh zu sehen, wie sehr die Erde leidet. Zwischen den Feldern, Häusern und Menschen stieg der Qualm auf. Und es wurde sichtbar, wie eng alles miteinander verwoben ist. Denn was der eine Mensch verbrennt, atmet der andere ein. 

Diese Beobachtung hat mich tief bewegt und meine Dankbarkeit für saubere Luft, funktionierende Systeme und ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit noch verstärkt.

Und gleichzeitig nahm ich mir vor, wieder genauer hinzusehen, auch zuhause, wo ich selbst Müll hinterlasse – sichtbar oder unsichtbar.

Ein Raum voller Blicke und das Echo uralter Muster

Ein weiteres, sehr prägendes Erlebnis hatte ich ebenfalls in Albanien. Wir machten eine kurze Pipi-Pause an einer Bar an der Autobahn. Es war bereits Abend und in der Bar saßen etwa 20 Männer – keine einzige Frau. 

Als ich den Raum betrat, richteten sich alle Blicke auf mich.
Ich spürte sofort: Dass ich um diese Uhrzeit hier bin, ist eigentlich unerwünscht. Und ich war froh, dass ich nicht allein war.

Diese Atmosphäre hat in mir vieles ausgelöst. Nicht nur persönliche Unsicherheit, sondern auch etwas Tieferes. Ich spürte alte kollektive Themen von Weiblichkeit, Angst und Anpassung.

Denn eigentlich bewege ich mich wie selbstverständlich sonst durch Räume. Aber hier wurde mir plötzlich bewusst, dass das ein Privileg ist.

Dieser Moment hat mich daran erinnert, dass Freiheit nie selbstverständlich ist. Und dass jede Frau, die sichtbar und selbstbestimmt ihren Weg geht, ein kleines Stück Veränderung in die Welt bringt.

Wenn hinter der Grenze das Wunder wartet

Die Fahrt war emotional und psychisch herausfordernd.

Doch all die Erfahrungen haben in mir eine tiefe Dankbarkeit geweckt. Dankbarkeit und Demut dafür, in welchem Luxus und in welcher Sicherheit ich in Deutschland leben darf. Auch wenn dort nicht alles perfekt ist. Aber durch das Reisen sehe ich klarer, was wir dort haben.

Und dann, kurz vor dem Ziel, geschah etwas Wundervolles: Bei heftigem Regen kamen wir zur albanisch-griechischen Grenze. Es war schon 22 Uhr, aber der Grenzbeamte war gut gelaunt – und dann sogar: eine Schildkröte auf der Straße.
Sie kroch gemächlich über die Grenzstraße.  

Schildkröte

Ein Schappschuss aus dem Auto: Die Schildkröte, die uns nach der Grenze erstmal ausbremste.

Dieses Bild hat mich tief berührt. Ich hatte Tränen in den Augen und Gänsehaut am ganzen Körper.
Denn die Schildkröte begleitet mich seit Jahren als Krafttier – und hier, an dieser Grenze, war sie für mich wie eine Erinnerung. Daran, dass ich auf meinem Weg unterwegs bin. Daran, dass auch ich meinen schützenden Panzer habe, in den ich mich zurückziehen kann. Und auch daran, dass es nicht immer auf die Schnelligkeit ankommt.

Und so nehme ich von dieser intensiven Anreise nach Korfu einiges mit. Ich genieße all die Erfahrungen voller Dankbarkeit und weiß, dass es für mich nicht darum geht, irgendwo im Leben schnell anzukommen. Für mich geht es darum, tief zu fühlen.
Und darauf zu vertrauen, dass jedes Land, jeder Mensch, jeder Moment ein Stück vom großen Ganzen zeigt.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner